Morgenstunde (942. Blog-Notat)

Das war eine dämmrige Woche. Da passte es, die letzte Lage Stollenkuchen aus dem Tiefkühler zu ziehen und warm der Petra vom See zu servieren. Sie besucht mich alle Jahre mit neuen Ideen und schöner Keramik. Diesmal bekam ich rote Schälchen spendiert. Karminrot – meine Farbe! Sehr schön und ich bin natürlich dankbar für ihre Zuwendungen. Wie sprachen über „Morgenstill“ und darüber, wie unterschiedlich die Menschen darauf reagieren. Wie im Leben eben, die einen tragen ihr Herz auf der Zunge und die anderen schweigen bis über den Tod hinaus. Man kann das Verwelken zwar verbergen, aber aufhalten wird man es damit nie. Für viele Menschen ist Kranksein ein Makel.
Immer noch lehnt die Öffentlichkeit Gespräche über den Tod als morbid ab. Bücher wie „Interviews mit Sterbenden“ von Elisabeth Kübler-Ross, „Tagebücher und Briefe“ von Maxi Wander und „Es wird mir fehlen, das Leben“ von Ruth Picardie gelten bis in die Jetztzeit als brisante Bücher. Als Geheimtipp für so oder so Betroffene, für andere kursieren diese Notate als „Unberührbare“. Während die Spaßgesellschaft sich ständig jugendlicher und perfekter gibt, erleben wir in ihr das Paradoxon, dass die aufgeklärte Gesellschaft Krankheit und Tod heute noch weiter von sich weist, als vor Zeiten. Die Angst vor dreierlei „Defekten“ manifestiert sich. Man will nicht auf die respektlose Seite der Verlierer geraten. Schon der Berührung mit anderer Leute Leid weicht der erfolgsorientierte Mensch eher aus. Der hoch kultivierte Individualismus treibt so offenkundig nicht nur die Vereinsamung des Einzelnen, sondern zugleich eine allgemeine Gefühlskälte voran. Dem Schein nach, denn wer involviert ist oder wird, steht vor existentiellen Fragen, die zumeist seine komplette Wertewelt aushebeln. All das war und ist für mich schon lange ein Schreibgrund…

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Morgenstunde (941. Blog-Notat)

Heute, 12:45 Uhr, landete das erste Schwälbchen auf unserem Dachfirst. Einen Moment nur, dann flog der Kundschafter weiter auf seiner Erkundungstour. Dort, wo ich herkomme, gab es seinerzeit keine Schwalben. Zeuthen, im Süden vor Berlin, war und ist eine grüne Vorstadtoase. Viel Wasser, Wiesen und Wälder. Nur in der kleinen Dorfaue am Zeuthener See gab es noch eine Handvoll landwirtschaftliche Höfe. Vielleicht waren dort Schwalben Zuhause. Ich kannte die Vögel damals nur aus einem Kinderbuch, dass ich heute noch besitze. Es erzählt in altmodischen Reimen von der Familie Zwitscherfried, die im Herbst mit ihren Kindern übers Meer nach Afrika fliegt. Den Jungen passt das Klima wunderbar und als das Schwalbenvölkchen heimwärts will, haben sie sich versteckt. Bald aber packt die Sehnsucht alle und der alte Zwischerfried lässt per Brieftaube wissen, er sei inzwischen schwer erkrankt. Ne Wolkenfrau bringt schließlich die Vogelkinder heim und alles soll vergessen sein… Nun denn – Erinnerungen 😊. Aber echte Schwalben auf dem Dach, das ist ein Glück…

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Morgenstunde (940. Blog-Notat)

Nun will es doch noch einmal kühler April sein. Acht Liter Regenwasser sind heute Nacht gefallen und jetzt rupft eisiger Wind am frischen Blattgrün der Linde. Über die Ansaaten in den Hochbeeten habe ich weißes Schutzflies gelegt. Ob es gegen Nachtfröste helfen wird – wer weiß. Man kann ja schließlich nicht den ganzen Garten einpacken…, so ist Schaden zu erwarten. Aber das haben wir leider alle Jahre. Die Schwalben sind noch nicht da. Sie werden vielleicht die Rückkehr der Kälte im Gespür haben. Ihr liebliches Gezwitscher fiel gewöhnlich 10 Tage früher von den Dachfirsten. Es kommt, wie es kommt… Wir trieseln uns derweil wieder in den Alltag ein. Die Ostseebrise im Nacken, geht das ganz gut…

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Lyrik-Krümel

Lautlos

Hör‘ mir noch zu
wenn ich schon schweige
nur der Zweifel von den Wellen springt
wie war das Leben
nach allen Beben
und der tosenden See.

Hör’ mir noch zu
wenn ich verstumme
nur der Wind die alten Lieder singt
was für ein Leben
war uns gegeben
und wie lautlos das Gehn.

© Petra Elsner

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Eine Buchbesprechung

Heimatlos

Fast vier Millionen Menschen sind zwischen 1991 und 2017 aus dem Osten in den Westen gegangen

„Kosakenberg“, dieses Buch wollte ich unbedingt lesen, denn es erzählt die Geschichte einer Frau, die Anfang der 90er, wie tausendfach andere junge Menschen, ihre alte Heimat verlassen hat. Nur nicht umsehen – dieses Spannungsfeld interessierte mich. Doch ich war enttäuscht von der Heldin Kathleen, einer vollkommen zerrissenen Person, die sich vornehmlich am Statusdenken des Westens orientiert und sich für ihre Herkunft schämt. Ihre belehrenden Auftritte bei Heimreisen verstören und assoziieren ein Fremdsein auf vertrautem Terrain – beiderseits. Es ist, als ob ein allseitiger Vorwurf in jedem Gespräch im Heimatdorf mitschwingt. Und während sich die Fortgegangene als Verräterin fühlt und eine Rückkehr als Niederlage ansieht, schaffen sich die Zurückgebliebenen neue familiäre Ersatzbündnisse. Da ist diese alte Schulfreundin, die nicht mit hinüberwuchs ins Erwachsensein und zur rätselhaften Heileier-Händlerin mutierte. Bauernschlau, patent, rücksichtslos und irgendwie Ersatztochter für Kathleens Mutter. Misstrauisch und eifersüchtig beargwöhnt Kathleen diese neue Beziehung… Hier ist am Ende nicht alles gut. Über den Tod der Mutter hinaus, bleiben die zwei Frauen sich wesensfremd. Ein Haus ist wie eine dritte Haut weiß die leibliche Tochter, und das Elternhaus, das Nadine billig kaufte, trägt seither einen Wasserfleck, als würde es weinen.
Die Autorin Sabine Rennefanz schildert uns eine Heldin in der Ferne ohne Mutterboden, die sich ihre Wurzeln wie einen Feind auszureißen versucht, aber darin jämmerlich scheitert. In meinem Magen hinterließ sie nur ein ungutes Gefühl. (pe)

 

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Morgenstunde (939. Blog-Notat)

Wir sind zurück von der Insel und irgendwie auch ganz froh. So schön das Standlaufen und die Meeresbrise ist, heimisches Essen kann verlockender sein. Als ich gestern beim Italiener auf der Heringsdorfer Seebrücke statt eines feinen Salates mit gutem Dressing nur einen Berg geputztes und sehr grob geschnittenes Gemüse bekam, hatte ich (nach einigen anderen kulinarischen Enttäuschungen) restlos die Nase voll. Ja, es standen Essig und Öl auf dem Tisch, aber Kinner nee, für reichlich 16 € kann man wohl einige Kräuter und Marinade dazu erwarten. Also ein bisschen mehr Finesse… Die aber scheint aus der Mode zu sein. So freue ich mich auf meine eigenen Salate und kann so leichter den Abschied vom Inselleben verdauen. Faulenzen ist nach dem dritten Tag eh nichts für mich 😊. Schönes Wochenende allerseits, es ist Gartenzeit!

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Morgenstunde (938. Blog-Notat)

Die Nacht nach der Lesung im Jagdschloss konnte ich nicht gut schlafen. Mir spukte es im Kopf herum, wie denn Lesungen ohne meine Bücher zukünftig laufen sollen. Ich erzählte ja bereits, dass der Verlag nicht mehr auf Zuruf Bücher liefert. Da wird das öffentliche Agieren für mich ungewiss. Gut, ich werde mit meiner angeschlagenen Gesundheit nicht mehr sehr viele Lesungen geben, aber für jene eben sollten meine Bücher vorliegen. Diese Altersübergänge nerven. Auch die des Verlages. Es war also nachts, als ich eine helfende Idee fand: Nämlich, wenn die Bücher vergriffen bleiben, könnte ich ja „Hefte zur Lesung“ handfertigen, als Auszugsausgabe ausschließlich für Lesegäste. Ähnlich wie die guten Programmhefte von anspruchsvollen Theatern. Nur eben handgefertigt, limitiert, nummeriert… Sozusagen etwas Besonderes, wenn denn schon das Buch, die Bücher nicht greifbar sind. Ich höre immer öfter, dass es anderen Literaten im Alter ähnlich ergeht, die in Kleinverlagen beheimatet sind. Und dann gibt es noch die anderen, die ganz Großen mit stärkeren Herausgebern, aber auch unter ihnen gibt es die am Rande…

Der musikalische Poet Wenzel schrieb in seiner Laudatio zum 80. Geburtstag von Christoph Hein im „Freitag“: „Ausdauer ist die Stärke der Schwachen. Die Welt muss auch für den nächsten Tag lebendig bleiben…“ und weiter – auch interessant: „Auch Hein gehört zu den entmachteten Eliten. Der Punkt, von dem er Welt und Vergangenheit betrachtet, liegt am Rand. Von dort nur ist es möglich, ins Innere der Welt zu blicken.“

Nun, ich bin kein Hein, aber doch auch Schattenelite, die sich irgendwie selbst helfen muss – am Rande ihres Seins.

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Morgenstunde (937. Blog-Notat)

Als wir letzten Herbst die Lesetermine für das Jagdschloss verabredeten, konnte niemand ahnen, dass auf den 6. April 2024 der erste Sommertag des Jahres fallen würde. So hatte der heutige Lesenachmittag einfach schlechte Karten, denn am 1. warmen Wochenende nach dem Winter zog es die Menschen verständlicherweise anderswo hin. In die Gärten oder auf die Sonnenterrassen. 15 Gäste fanden zu mir und hörten mir leise zu. Ich glaube, es waren mehr Menschen, die mir virtuell gutes Gelingen der Veranstaltung wünschten… Nun denn. Ich hoffe, die Zuhörer im Roten Salon haben es nicht bereut, zu mir gekommen zu sein. Weiß man ja nie so genau im Nachhinein… zumal die Barnimer ihr Herz so gar nicht auf der Zunge tragen 😊.
Habt alle miteinander ein entspanntes Wochenende!

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Verwunschenes im Schloss

Kennen Sie den Herrn der Tautropfen, die Geistereichen oder die Nebelfee? Den Frühlingsgeist Moosgrün oder den schlauen Hasenräuber? Es sind nur einige, der vielen verwunschenen Gestalten, die im Dämmerlicht der Schorfheide wohnen. Die Autorin Petra Elsner hat ihren Zauber entdeckt und sie 2010 unter ihren „Schorfheidemärchen“ versammelt. Aber auch die alte Sagenwelt hat es ihr angetan. Eine Auswahl hat Elsner 2015/16 für das Barnim-Echo sprachlich aufgefrischt und farbig illustriert. Die Zeichnungen befinden sich heute im Besitz des Eberswalder Stadtmuseums, aber auch ihre Märchen gehören inzwischen zum regionalen Kulturgut.
Am 6. April 2024, liest Petra Elsner, um 15 Uhr im Roten Salon des Groß Schönebecker Jagdschlosses (Barnim), Alte Sagen und neue Märchen der Schorfheide“ für Erwachsene und Herangewachsene. Der Eintritt kostet 10 Euro.             
(Foto: Lutz Reinhardt)
Vorbestellungen unter: Telefon 033393 65777
touristinfo-gs@gemeinde-schorfheide.de

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